Streitgespräch mit Professor Tarek Badawia: Religion als Gewaltbeschleuniger?

Grafik mit Symbolen der Weltreligionen
Bild: Colourbox.de

In einem Streitgespräch der Nürnberger Nachrichten diskutiert Islamwissenschaftler Tarek Badawia das Gewaltpotential von Religionen mit Jurist Mathias Rohe und dem Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche.

Laut Badawia hätten Religionen ein extremes Instrumentalisierungspotential, was sich beispielhaft am Nahostkonflikt und dem Streit um den Status der Stadt Jerusalem zeige. Die religiöse Prägung des Konflikts sei allgegenwärtig und die Stimmung explosiv. Dabei glaubt der Islamwissenschaftler, dass Religionen im Nahostkonflikt auch eine positive Rolle spielen könnten – etwa im Rahmen einer internationalen Friedensinitiative. Wenn Jerusalem einen internationalen Status bekäme, würde dies sich ebenfalls positiv auf die verschiedenen Religionsgemeinschaften auswirken.

Angesprochen auf die seltene Wahrnehmung des Islams als Religions des Friedens, stellt Badawia fest: „Das ist leider momentan so.“ Zwar seien die meisten Gewaltopfer islamistischen Terrors Muslime. Doch das Verhältnis zwischen Religion und politischer Macht sei im Islam schon immer problematisch gewesen. Außer der Empfehlung, Angelegenheiten kollektiv zu regeln, mache der Koran keine Vorgabe zur Regierungsgestaltung. Dies führe in verschiedenen Regionen zu Gewalt.

Einen Lösungsansatz sieht Badawia zunächst in der Akzeptanz dieses Problems durch die Muslime selbst. Diese „müssten erst einmal ganz sachlich akzeptieren, dass dieses Problem nicht nur von außen verursacht wird, sondern wir das selbst nicht geklärt haben“. Für Muslime in Deutschland bedeute dies, dass Fragen der theologischen Autorität und die Deutungshoheit der Primärquellen geklärt werden müssten. Heranwachsende müssten lernen, mit bestimmten, gewaltverherrlichenden Stellen im Koran komptetent umzugehen, so der Islamwissenschaftler. Diese Autorität würde jedoch nicht mit der Etablierung kirchenähnlicher Strukturen des Islams einhergehen. Muslime seien nicht in solch festen Strukturen organisiert, sondern beriefen sich auf eine lange Tradition der Meinungsvielfalt. In einer Art muslimischen Synode oder einem islamischen Rat müssten klare Positionen zu ganz konkreten Themen entwickelt werden.

Für die Islamische Religionslehre sei es laut Badawia entscheidend, nicht nur alte Traditionen und Koran-Lesarten aus dem 6. Jahrhundert zu reproduzieren, sondern auf Basis koranischer Impulse neue und zeitgemäße Lesarten zu entwickeln. Die Realität zeige, so führt Badawia aus, dass man den Koran nicht ideologisch interpretieren müsse. Durch positive Begegnungen mit Nicht-Muslimen entwickele sich ein Lernauftrag. Dessen systematische Erschließung mit dem Ziel einer neuen Lesart mache die Arbeit der islamischen Religionslehre aus: „Sonst wären wir überflüssig“, so Badawia.

Das komplette Interview finden Sie hier.